In einer Zeit, in der das Thema Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus rückt, gewinnt auch das Ernährungsverhalten der Menschen zunehmend an Bedeutung. Unternehmen und Verbraucher sind sich der Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Umwelt und Klima immer bewusster. Sodexo, einer der weltweit führenden Anbieter von Catering- und Facility-Management-Dienstleistungen, hat gemeinsam mit YouGov eine umfassende Studie zum Ernährungsverhalten deutscher Arbeitnehmer durchgeführt. Dabei standen Fragen rund um den Fleischkonsum, pflanzenbasierte Ernährung und die Bedeutung von Regionalität und Klimaschutz im Mittelpunkt.
Wir hatten die Gelegenheit, mit Christian Niemeyer, dem Head of Food bei Sodexo Deutschland, über die zentralen Erkenntnisse der Studie zu sprechen. Im Interview gibt Herr Niemeyer Einblicke in die Ergebnisse der Umfrage, erläutert die Strategien von Sodexo zur Förderung nachhaltiger Ernährung und beschreibt die Herausforderungen und Chancen, die sich aus den veränderten Ernährungsgewohnheiten für die Betriebsgastronomie ergeben.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in die Studie
- Fleischkonsum
- Nachhaltigkeit
- Pflanzenbasierte Ernährung
- Kantinenpräferenzen
- Regionalität und Tierwohl
- Preisbewusstsein
- Klimafreundliches Essen
- Verantwortung und Standards
- Zukunft der Betriebsgastronomie
Einführung in die Studie
Eat & Travel: Herr Niemeyer, könnten Sie uns einen Überblick über die Hauptziele und -ergebnisse der Studie geben? Was hat Sodexo dazu motiviert, diese Umfrage durchzuführen?
Christian Niemeyer: Thema der Studie von Sodexo und YouGov ist das Ernährungsverhalten deutscher Arbeitnehmender. Im Fokus standen Fragen zum Fleischkonsum und zur pflanzlichen Ernährung. Unser Hauptziel war es, die Präferenzen der Konsumenten besser zu verstehen und eine Einschätzung zu bekommen, welchen Einfluss Regionalität und Klimawandel auf Essgewohnheiten haben. Denn: Was wir essen, ist weltweit für ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich und damit ein Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Eine Mehrheit der Befragten ist an nachhaltigen Lebensmitteln interessiert und wäre bereit, ihren Fleischkonsum zugunsten des Klimaschutzes zu reduzieren.
Wir haben uns als Unternehmen ein klares Ziel gesetzt: DER Food-Service-Anbieter für „nachhaltiges Essen“ werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, dass wir die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Zielgruppen ganz genau analysieren. Die Befragung hat genau das erreicht und hat zudem Vieles bestätigt, was wir in unserem Betriebsalltag in der Interaktion mit unseren Kunden und Gästen bereits sehen.
Fleischkonsum
Eat & Travel: Laut der Studie essen 79 % der Befragten mindestens einmal pro Woche Fleisch. Wie erklären Sie sich diese hohe Zahl, und sehen Sie hier langfristig eine Veränderung?
Christian Niemeyer: Die 79 Prozent lassen sich zu einem großen Teil durch die kulturellen und traditionellen Essgewohnheiten in Deutschland erklären. Mehrere Jahrzehnte lang wurden Gerichte rund um die Hauptkomponente Fleisch aufgebaut. Wir alle erinnern uns an den Sonntagsbraten. Diese traditionelle Denkweise befindet sich seit einiger Zeit im Umbruch. Sicher sehen wir in unseren Betrieben nach wie vor noch lange Schlangen vor den Klassikern: Pasta Bolognese, Schnitzel und Currywurst. Aber unsere Beobachtungen zeigen auch, dass das Interesse an pflanzenbasierten Menüs wächst – und immer mehr Gäste explizit für die fleischlosen Angebote in unsere Restaurants kommen. Trends hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz unterstützen diese Veränderung.
Wir freuen uns daher sehr, dass die Ergebnisse der Umfrage unser Vorgehen bestärken: Eine Mischung aus fleischhaltigen und vegetarischen Gerichten sowie Fleischersatzprodukten ist das bevorzugte Betriebsrestaurant-Modell von rund 70 Prozent der Befragten. Gäste wünschen sich vor allem Abwechslung und genau das bietet unser Sodexo-Baukastensystem. Alle Gerichte haben dabei eine Pflanzenbasis ohne tierische Produkte. Die Betriebsleiter:innen, Kunden und Gäste entscheiden, ob es dabei bleibt oder ob sie das Gericht erweitern oder Komponenten austauschen. Durch dieses Baukastensystem können wir bis zu 100 Prozent pflanzenbasierte Betriebsrestaurants anbieten, sofern das gewünscht wird.
Nachhaltigkeit
Eat & Travel: Mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, ihren Fleisch- und Milchkonsum zu reduzieren, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wie stark sehen Sie den Trend zu nachhaltigem Essen in den nächsten Jahren wachsen?
Christian Niemeyer: Der Trend zur nachhaltigen Ernährung wird in den nächsten Jahren voraussichtlich stark zunehmen. Faktoren wie das wachsende Umweltbewusstsein, die Auswirkungen des Klimawandels und die zunehmende Verfügbarkeit und Qualität pflanzlicher Alternativen tragen dazu bei. Initiativen und Kampagnen zur Förderung nachhaltiger Lebensmittel sowie Veränderungen in Politik und Unternehmenspraxis werden diesen Trend weiter unterstützen. Das wachsende Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an nachhaltigen Lebensmitteln deutet auf eine signifikante Verschiebung hin, die sich langfristig noch verstärken wird. Und es geht ja auch nicht zwangsläufig darum, überhaupt kein Fleisch mehr zu essen, sondern dies bewusst und ausgewählt zu tun.
Pflanzenbasierte Ernährung
Eat & Travel: Sodexo hat Anfang 2024 einen pflanzenbasierten Ansatz vorgestellt. Welche Resonanz haben Sie bisher von den Kunden und Gästen erhalten?
Christian Niemeyer: Wir sind überwältigt von den positiven Reaktionen. Unser Baukastensystem mit pflanzenbasierter Basis ist mittlerweile sogar preisgekrönt. Im Juni hat unser Konzept den Marketing-Award in Silber der Fachzeitschrift gvpraxis gewonnen. Das ist vor allem eine Auszeichnung für unsere Food Entwickler:innen, die über ein Jahr lang viel Zeit und Energie in die Anpassung aller Rezepte investiert haben. Mit unseren Kunden sind wir seit Anfang des Jahres dazu im Austausch: Das Interesse an einem stärker pflanzenbasierten Angebot ist groß – vor allem in Bürobetrieben. Der pflanzenbasierte Anteil an unserem Gesamtangebot steigt so ganz natürlich.
Sodexo hat sich verpflichtet, seine CO2-Emissionen zwischen 2017 und 2025 um 34 Prozent zu reduzieren. Das geht nur, wenn wir an der für uns größten Stellschraube drehen: Den stärksten Einfluss auf die Ökobilanz haben Fleisch- und Milchprodukte. Sie liefern laut Poore und Nemecek (2019) weltweit nur 18 Prozent aller Kalorien und 37 Prozent aller Proteine. Ihre Produktion beansprucht aber 83 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen. Je mehr Menschen sich also überwiegend pflanzlich ernähren, desto weniger Flächen werden für die Nutztierhaltung benötigt. Ein klassischer Sodexo-Speiseplan mit vier Gerichten (ohne Suppen und Desserts) verursacht in einer Woche 1.100 g CO2-Emissionen – Speisepläne mit hohem Fleischanteil liegen darüber. Mit unserer neuen Food Strategie sparen wir im Durchschnitt 600 g CO2 pro Gericht im Vergleich zum klassischen Menü. Unsere InGreen-Linie, die rein vegan ist und nur das Hauptgericht umfasst, hat einen durchschnittlichen Wert von 320 g CO2.
Kantinenpräferenzen
Eat & Travel: Die Studie zeigt, dass 69 % der Befragten eine Mischung aus Fleischgerichten, vegetarischen Gerichten und Fleischersatz-Produkten bevorzugen. Wie setzen Sie dieses Feedback in den Sodexo-Betriebsrestaurants um?
Christian Niemeyer: Die Basis all unserer Rezepte ist rein pflanzlich. Dafür haben unsere Food-Entwickler jedes Rezept unter die Lupe genommen und gezielt tierische Zutaten durch pflanzliche Alternativen ersetzt. Durch diese Weiterentwicklung der Grundrezepte reduzieren wir den CO2-Fußabdruck jedes einzelnen Gerichts. Im Rahmen des Baukastensystems entscheiden Betriebsleiter:innen, Kunde und Gast dann, ob sie das Gericht erweitern oder Komponenten austauschen möchten. Unsere Gäste gewinnen dabei hohe Flexibilität, der Vorteil für unsere Kunden, die Umwelt und Sodexo ist ein klarer Beitrag zur Nachhaltigkeit. Was auf der Speisekarte oder in der Ausgabetheke steht, kann also je nach Anforderungen und Bedürfnissen stark variieren – auch in Bezug auf den Anteil pflanzlicher oder tierischer Proteine. In einigen Betrieben hat der Gast selbst die Wahl und kann sich direkt an der Theke zwischen „Planted Patty“ und „Rinder Patty“ entscheiden. Ergänzend dazu gibt es das so genannte „Add On-Prinzip“: Ein vollwertiges pflanzliches Gericht wird auf Wunsch um eine tierische Komponente erweitert.
Regionalität und Tierwohl
Eat & Travel: Zwei Drittel der Befragten halten regionale Zutaten für wichtig, und über 60 % achten auf die Haltungsform des Tieres. Wie stellen Sie sicher, dass diese Anforderungen in den Sodexo-Restaurants erfüllt werden?
Christian Niemeyer: Die Ergebnisse unserer Umfrage machen deutlich, dass die Befragten sehr darauf achten, was auf den Teller kommt: Essen soll gesund sein, von glücklichen Tieren stammen und optimalerweise aus der Region kommen. 55 Prozent aller Befragten wünschen sich in der Kantine Fleisch der Haltungsformen 3 und 4. Ein hoher Anspruch und definitiv keine kleine Hürde. Ob es gelingt, mehr Fleisch aus den Haltungsformen 3 und 4 anzubieten, ist vor allem eine Frage der Verfügbarkeit. Dies zu lösen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Gemäß unserer Umfrage sehen die Befragten vor allem die Konsument:innen (41 %) in der Pflicht, dies einzufordern. Supermärkte (34 %), Politik (31 %) und Landwirtschaft (30 %) erhalten ebenfalls hohe Werte bei der Frage, wer hier Verantwortung tragen sollte. Dass in erster Linie die Restaurants und deren Betreiber zuständig sind, denken nur 8 Prozent der Befragten. Dennoch ist das natürlich auch für uns ein wichtiger Aspekt, mit dem wir uns beschäftigen.
Preisbewusstsein
Eat & Travel: Die Mehrheit der Befragten ist preisbewusst und möchte für ein Mittagessen nicht mehr als 8 Euro ausgeben. Wie gelingt es Ihnen, qualitativ hochwertige und gleichzeitig preiswerte Mahlzeiten anzubieten?
Christian Niemeyer: Sodexo hat viele Betriebsrestaurants in ganz Deutschland und kauft daher Lebensmittel in großen Mengen ein. Dadurch ist es uns möglich, unsere Angebote zu machen. Klar ist aber auch: Gutes Essen hat seinen Preis. Uns ist es wichtig, die Verbraucherinnen und Verbraucher auch dafür zu sensibilisieren, was hochwertige Lebensmittel kosten. Unser Anspruch ist immer, Qualität und den Wunsch nach günstigen Preisen zusammenzubringen. Konzeptionell setzen wir auf hochwertiges und authentisches Essen mit frischen, saisonalen Zutaten und internationaler Vielfalt. Wir haben etwas zu bieten. Der Besuch im Betriebsrestaurant muss sich lohnen und seinen Preis wert sein. Dafür geben die Gäste auch gerne etwas aus.
Klimafreundliches Essen
Eat & Travel: 63 % der Befragten würden es unterstützen, wenn ihr Arbeitgeber weniger Fleisch im Betriebsrestaurant anbietet. Wie sehen Ihre Pläne aus, dieses Potenzial zu nutzen?
Christian Niemeyer: Sodexo baut das Angebot an pflanzlichen Gerichten kontinuierlich aus. Zudem zeigt die Umfrage, dass 69 Prozent neugierig auf ein solches Angebot wären und 65 Prozent fänden eine solche Anpassung auch zeitgemäß. Unser Ziel ist es deshalb, die Gäste mit schmackhaften und abwechslungsreichen vegetarischen und veganen Angeboten zu überzeugen. Gleichzeitig steht eine transparente Kommunikation über die ökologischen Vorteile einer fleischreduzierten Ernährung im Vordergrund. Ein weiterer Aspekt: Wenn es um das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen geht, ist das Betriebsrestaurant ein relevanter Faktor. Das ist uns bewusst und vor diesem Hintergrund haben wir im Januar dieses Jahres unseren umfassenden, pflanzenbasierten Food-Ansatz an den Start gebracht. Potenziell sind damit vollständig pflanzenbasierte Betriebsrestaurants möglich.
Verantwortung und Standards
Eat & Travel: Die Befragten sehen Konsumenten, Supermärkte, Politik und Landwirtschaft in der Verantwortung für hohe Tierschutzstandards. Wie positioniert sich Sodexo in diesem Gefüge?
Christian Niemeyer: Als Gastronomen stehen wir in engem Austausch mit unseren Lieferanten über das, was wir brauchen. Das betrifft zum einen Qualität und zum anderen auch Tierschutzstandards sowie kurze Lieferwege und weitere Aspekte der Nachhaltigkeit. Dabei spiegeln wir unseren Partnern in der Lieferkette immer wieder zurück, was unsere Gäste erwarten und was wir als Anbieter mittel- und langfristig benötigen und auch an Standards einfordern. Wir haben strenge Regeln zur Überwachung der Herkunft unserer Produkte und bewerten regelmäßig die Bemühungen unserer Lieferanten. Das heißt, auch wenn die Befragten andere Parteien stärker in der Verantwortung sehen als Foodservice-Anbieter wie Sodexo, ist uns unsere Rolle in diesem Gefüge ganz klar bewusst. Wir haben einen relevanten Einfluss auf die Ernährung vieler Menschen.
Zukunft der Betriebsgastronomie
Eat & Travel: Abschließend, Herr Niemeyer, welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie in der Betriebsgastronomie in den nächsten fünf Jahren, und wie bereitet sich Sodexo darauf vor?
Christian Niemeyer: Sicher ist, dass die Nachfrage nach gesunden und nachhaltigen Gerichten weiter steigen wird. Dabei spielen Themen wie Regionalität der Zutaten, klimafreundliche Gerichte und Tierwohl weiterhin eine entscheidende Rolle. Wir passen unsere Speisepläne regelmäßig an und richten unser Angebot immer auf die Wünsche der Gäste und Trends aus. Technologische Innovationen, wie Selbstbedienungssysteme und digitale Lösungen werden zunehmend an Bedeutung gewinnen, um den Service effizienter zu gestalten. Ein Beispiel ist unsere weltweit erste Roboterküche mit GoodBytz am Universitätsklinikum Tübingen, die auch außerhalb der Öffnungszeiten warme Mahlzeiten bietet und gleichzeitig den Fachkräftemangel adressiert. Wir setzen zudem auf moderne, einladende Räumlichkeiten, die das gemeinsame Pausenerlebnis fördern. Als Vorreiter in der Branche ist es unser Ziel, die Betriebsgastronomie zukunftsfähig weiterzuentwickeln und so die Arbeitswelt unserer Kunden attraktiver zu gestalten.
Vielen Dank, Herr Niemeyer, für das ausführliche und aufschlussreiche Interview.